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Brief für Unternehmer und Freiberufler des Monats August 2012


Sehr geehrte Damen und Herren,


der Ihnen nun vorliegende Brief möchte Sie über wesentliche vollzogene oder geplante Änderungen im Steuer- und Wirtschaftsrecht der letzten Monate informieren und Ihnen Anlass bieten, auch bestehende Sachverhalte zu überprüfen.

Bitte lesen Sie im Einzelnen:


Inhalt

1.

BMF nimmt zu elektronischen Rechnungen Stellung

2.

Bordelle sind keine Herbergen

3.

Vorsteuervergütung: Europäischer Gerichtshof bestätigt Ausschlussfrist

4.

Keine Beteiligungsgewinnkorrektur bei vorheriger Seitwärtsverschmelzung

5.

Ertragsteuerliche Behandlung von Sanierungsgewinnen

6.

Festsetzung von Grunderwerbsteuer bei Errichtung einer privatrechtlichen Stiftung

7.

Pflichten des GmbH-Geschäftsführers bei Anzeichen einer Krise

8.

Wer die falsche USt-IDNr. verwendet, verliert den Vorsteuerabzug

9

Umsatzsteuer für "ebay"-Verkäufer

10.

Wann sind Steuerbescheide nichtig?

11.

Pflichtteilsberechtigung eines Abkömmlings bei Verzicht eines anderen

12.

2-Monats-Frist des AGG gilt auch für andere Schadensersatzklagen

13.

Steuerliche Behandlung des Wirtschaftsgutes "Wald"

14.

Steuerliche Liebhaberei in der Pferdehaltung

15.

Kürzung der Pendlerpauschale bei neuen Tatsachen?

16.

Doppelbesteuerung einer deutsch-französischen Erbschaft?

17.

Wechsel zur Fahrtenbuchmethode im laufenden Kalenderjahr unzulässig

18.

Wann müssen Arbeitnehmer ihren Dienstwagen nach Kündigung zurückgeben?

19.

Anspruch auf bestimmten Inhalt einer verbindlichen Auskunft?

20.

Grunderwerbsteuer bei Änderung im Gesellschafterbestand einer Personengesellschaft

21.

Gaspreiserhöhung muss angekündigt werden

22.

Zur Beschwerdebefugnis von Kommanditisten einer GmbH & Co. KG

23.

Keine "öffentliche Wiedergabe" durch Verbreiten von Tonträgern in Zahnarztpraxis

24.

Schokohase mit rotem Band ist nicht als Marke eintragungsfähig

25.

Falschangaben über Urlaubsabgeltung im Kündigungsschreiben anfechtbar?

26.

Gemeinnützigkeit eines islamischen Vereins trotz Verstoßes gegen das Grundgesetz?

27.

Keine 7 % für Kost & Logis bei gemeinnützigen Körperschaften

28.

Geltendmachung von Urlaubsabgeltung im laufenden Urlaubsjahr?

29.

Falschauskunft des Arbeitgebers kann Indiz für Diskriminierung sein


1. BMF nimmt zu elektronischen Rechnungen Stellung

Rechtslage
Seit dem 1.7.2011 gelten vereinfachte Vorschriften für elektronische Rechnungen. Zweck der Neuregelungen war es, den Einsatz elektronischer Rechnungen zu fördern, um Kostensenkungspotentiale zu generieren. Bisher war allerdings kein Boom elektronischer Rechnungen zu verzeichnen. Ursächlich hierfür war, dass die Unternehmen den Verlust des Vorsteuerabzuges befürchteten, da das Bundesfinanzministerium (BMF) sich bisher nicht zu einer verbindlichen Stellungnahme zur Neuregelung durchringen konnte; diese liegt nun vor.

Neue Verwaltungsanweisung
Das Schreiben des BMF trifft Aussagen u. a. zu folgenden Themen: Definition der elektronischen Rechnung; Auflistung von Formaten, die zur Übertragung eingesetzt werden können (z. B. E-Mail).; Anforderungen an die ordnungsgemäße Übermittlung von Rechnungen; innerbetriebliches Kontrollverfahren als Mittel zur Überprüfung der ordnungsgemäßen Übermittlung elektronischer Rechnungen; Anforderungen an die ausschließlich elektronisch mögliche Aufbewahrung elektronischer Rechnungen und Erläuterung der erweiterten Rechte der Umsatzsteuersonderprüfung hinsichtlich des direkten Zugriffes auf die EDV der Unternehmen.

Konsequenzen
Unternehmen, die elektronische Rechnungen nutzen wollen bzw. solche empfangen, müssen sich mit dem Schreiben auseinandersetzen. Insbesondere für Unternehmen, die elektronische Rechnungen versenden, wird es nun einfacher. Allerdings muss der Empfänger der Übermittlung der Rechnung in elektronischer Form unverändert zustimmen. Unternehmen, die elektronische Rechnungen empfangen, müssen ein geeignetes Kontrollsystem installieren, das einen "verlässlichen Prüfpfad" von der Bestellung bis zur Bezahlung gewährleistet. Ferner ist die ordnungsgemäße Archivierung der elektronischen Rechnungen sicherzustellen. Diese kann nur elektronisch erfolgen. Die Aufbewahrung in Papierform durch Ausdruck ist nicht zulässig. Leider lässt das Schreiben offen, wie diese Maßnahmen in der Praxis konkret umgesetzt werden können. Stattdessen sind die Ausführungen so vage, dass sie viel Raum für Interpretationen lassen. Es wird sich daher erst in der Zukunft zeigen, ob die angestrebte Vereinfachung auch in der Praxis erreicht wird und nicht durch überzogene Anforderungen der Finanzverwaltung und ihrer Prüfer konterkariert wird.

2. Bordelle sind keine Herbergen

Rechtslage
Jüngst war der Tagespresse zu entnehmen, dass der Besuch Düsseldorfer Bordelle durchaus Risiken birgt. Ein aktuelles Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf zeigt, dass diese auch steuerlicher Natur sein können. Zum 1.1.2010 wurde der Steuersatz für Beherbergungsleistungen von 19 % auf 7 % gesenkt. Schon im Rahmen des damaligen Gesetzgebungsverfahrens wurde diskutiert, ob hierdurch nicht - ungewollt - auch das horizontale Gewerbe bevorzugt werde. Politiker, die sich eingängig mit dieser Materie beschäftigt hatten, teilten diese Auffassung nicht, ebenso nicht das Bundesfinanzministerium (BMF).

Sachverhalt
Die Klägerin, ein Bordellbetrieb in der Rechtsform einer GmbH, vermietete Räumlichkeiten an Prostituierte. Die Räume waren für die Erbringung sexueller Dienstleistungen besonders hergerichtet. Ferner organisierte die Klägerin entsprechend ausgerichtete Veranstaltungen, wie z. B. Betriebs- und Weihnachtsfeiern. Streitig war, ob die Mieten von ca. 1,2 Mio. EUR dem ermäßigten (7 % USt) oder dem Regelsteuersatz (19 % USt) unterliegen.

Entscheidung
Das Finanzgericht Düsseldorf teilt die Ansicht des Finanzamtes. Demnach dienen die Räume nicht der Beherbergung, sondern der Ausübung eines Gewerbes. Die Mieten unterliegen daher dem Regelsteuersatz (19 %). Dies gilt auch, wenn Prostituierte in den Zimmern übernachten.

Konsequenz
Dem Urteil zur Folge gilt die Begünstigung nur für das "normale" Hotelgewerbe. Allerdings wurde die Revision zugelassen, so dass nun möglicherweise der Bundesfinanzhof (BFH) das letzte Wort hat. In der Praxis werden nun voraussichtlich entweder die Klägerin oder die Prostituierten auf der Umsatzsteuer sitzen bleiben, je nachdem ob die Klägerin berechtigt ist, diese weiterzubelasten. Für die selbstständigen Prostituierten wäre eine Weiterbelastung grundsätzlich kein Problem, da sie unternehmerisch tätig und zum Vorsteuerabzug berechtigt sind. Allerdings steht hier die Besteuerungspraxis entgegen. Viele Prostituierte werden nach dem "Düsseldorfer Verfahren" besteuert. Bordellbesitzer, die an dem Verfahren teilnehmen, führen einen pauschalierten Tagessatz der erhaltenen Miete an das Finanzamt ab. Dieser Betrag wird als Einkommen- bzw. Umsatzsteuervorauszahlung der Prostituierten gewertet. Im Gegenzug verzichtet das Finanzamt auf häufige Überprüfungen. Dies entbindet die Prostituierten zwar nicht von der Abgabe einer Umsatzsteuerjahreserklärung, in der die Vorsteuer geltend gemacht werden könnte, die Realität sieht jedoch anders aus.

3. Vorsteuervergütung: Europäischer Gerichtshof bestätigt Ausschlussfrist

Kernaussage
Ausländische Unternehmen, die im Inland keine steuerpflichtigen Umsätze ausführen, können sich auf Antrag, die ihnen im Inland in Rechnung gestellte Vorsteuer erstatten lassen. Die Erstattung erfolgt im Rahmen des Vorsteuervergütungsverfahrens, sofern alle erforderlichen Formalien beachtet werden.

Sachverhalt

Bis Ende 2009 gab es für alle ausländischen Unternehmen ein Vorsteuervergütungsverfahren; hier war der Antrag einheitlich bis zum 30.6. des Folgejahres zu stellen. Seit 2010 ist zwischen dem Verfahren für Unternehmer aus EU-Mitgliedstaaten sowie dem Verfahren für Unternehmer aus Drittstaaten zu unterscheiden. Die Frist zur Abgabe des Antrages für Unternehmer aus der EU endet zum 30.9., die für Unternehmer aus Drittstaaten zum 30.6. des Folgejahres. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte nun in einem Altfall zu entscheiden, ob diese Fristen Ausschlussfristen sind.

Entscheidung
Der EuGH bestätigt die Rechtsauffassung der Finanzverwaltungen. Demnach handelt es sich bei der Abgabefrist um eine Ausschlussfrist.

Konsequenz
Wird der Antrag zu spät, d. h. nach Ablauf der Frist abgegeben, ist der Vorsteuerabzug nicht mehr möglich. Dies gilt auch für die seit 2010 geltenden Fristen. Nur vollständige Anträge sind fristwahrend. Es ist daher unbedingt darauf zu achten, dass die Anträge vollständig ausgefüllt werden und die erforderlichen Belege beigefügt sind. Ferner sind Anträge von Unternehmern aus Drittländern zu unterschreiben. Da der "Teufel bekanntlich im Detail" steckt, sollte die Antragstellung nicht zum letztmöglichen Zeitpunkt erfolgen.

4. Keine Beteiligungsgewinnkorrektur bei vorheriger Seitwärtsverschmelzung

Kernproblem
Nach altem wie auch neuem Umwandlungssteuergesetz ist bei der Aufwärtsverschmelzung einer Tochter- auf ihre Mutterkapitalgesellschaft ein Beteiligungskorrekturgewinn vorzunehmen, wenn und soweit in früheren Jahren Teilwertabschreibungen sowie Abzüge nach § 6b EStG auf die Beteiligung an der Tochtergesellschaft steuerwirksam vorgenommen wurden. Nach Auffassung der Finanzverwaltung gilt dies selbst dann, wenn zunächst 2 Schwesterpersonengesellschaften aufeinander und erst anschließend auf die Muttergesellschaft verschmolzen werden. Diese umstrittene Rechtsauffassung war nunmehr Gegenstand eines Finanzgerichtsverfahrens.

Sachverhalt
Die Klägerin, eine an der Spitze eines Konzerns stehende GmbH, war alleinige Gesellschafterin der B-GmbH und der formgewechselten C-GmbH. Zum 31.12.1996 wurde die B-GmbH auf die C-GmbH verschmolzen. In der Bilanz der Klägerin wurde der Buchwert der B-GmbH dabei auf die Beteiligung an der C-GmbH umgebucht. Zum 31.12.2000 wurde die C-GmbH auf die Muttergesellschaft bzw. Klägerin verschmolzen. Im Anschluss an eine Betriebsprüfung vertrat das Finanzamt die Auffassung, dass die in den Jahren vor 1996 erfolgten steuerwirksamen Abschreibungen auf die Beteiligung der B-GmbH im Zeitpunkt der Aufwärtsverschmelzung der C-GmbH auf die Klägerin rückgängig zu machen seien. Die hiergegen gerichtete Klage beim Finanzgericht Hamburg war erfolgreich.

Entscheidung
Nach Auffassung des Gerichts besteht für die von der Finanzverwaltung im alten Umwandlungssteuererlass vertretene Rechtsansicht keine gesetzliche Grundlage. Die betreffende Vorschrift des Umwandlungssteuergesetzes (alte Fassung) erfasse nämlich die Verschmelzung zweier Schwestergesellschaften tatbestandlich gerade nicht. In Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung vertritt das Finanzgericht dabei die Auffassung, dass eine steuerbegründende bzw. -verschärfende Analogie nicht statthaft sei.

Konsequenz
Gegen das Urteil wurde Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) eingelegt, so dass die Rechtsfrage noch nicht endgültig entschieden ist. Ungeachtet dessen ist die praktische Bedeutung der Frage überschaubar: Zum einen waren steuerwirksame Teilwertabschreibungen auf Kapitalgesellschaftsbeteiligungen letztmals im Veranlagungszeitraum 2000 möglich. Zum anderen betrifft der Rechtsstreit eine Vorschrift des alten Umwandlungssteuergesetzes. Aufgrund der nunmehr in der neuen Gesetzesfassung enthaltenen so genannten "Fußstapfentheorie" dürfte die Verwaltungsauffassung gesetzlich verankert sein.

5. Ertragsteuerliche Behandlung von Sanierungsgewinnen

Grundlagen der Besteuerung von Sanierungsgewinnen
Nach der in 1998 erfolgten ersatzlosen Streichung einer einkommensteuerlichen Vorschrift, die eine generelle Steuerbefreiung von Sanierungsgewinnen vorsah, stellt die nunmehrige grundsätzliche Steuerpflicht von Sanierungsgewinnen ein häufiges Sanierungshindernis dar. Solche Sanierungsgewinne entstehen insbesondere beim (teilweisen) Erlass von Schulden seitens Darlehensgebern oder Lieferanten. Da die Besteuerung des Sanierungsgewinns häufig eine erhebliche Härte für den Unternehmer darstellt, lässt die Finanzverwaltung im Wege einer Billigkeitsregelung die Steuerstundung und den Steuererlass für den Unternehmer zu. Die Voraussetzungen hierfür sind dem Sanierungserlass des Bundesfinanzministeriums (BMF) aus 2003 zu entnehmen. In einem kürzlich aktualisierten Erlass hat das Finanzministerium (FM) Schleswig-Holstein zu verschiedenen Punkten des Sanierungserlasses sowie der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung Stellung genommen.

Begünstigung nur von unternehmensbezogenen Sanierungen
In Übereinstimmung mit dem Sanierungserlass sowie einem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) aus 2010 bestätigt das Finanzministerium Schleswig-Holstein, dass nur unternehmensbezogene Sanierungen, nicht aber unternehmerbezogene Sanierungen begünstigt sind. Erstere liegen vor, wenn die Sanierung darauf gerichtet ist, ein Unternehmen vor dem finanziellen Zusammenbruch zu bewahren und wieder ertragsfähig zu machen. Eine (nicht begünstigte) unternehmerbezogene Sanierung ist gegeben, soweit die Schulden erlassen werden, um dem Steuerpflichtigen einen schuldenfreien Übergang in sein Privatleben oder den Aufbau einer anderen Existenzgrundlage zu ermöglichen. Eine Ausnahme besteht für letztere nur, soweit sie auf einer erteilten Restschuldbefreiung bzw. einer Verbraucherinsolvenz beruhen. Diese Grundsätze wurden auch vom BFH bestätigt.

Verfahrensrechtliche Bestimmungen
Im Sanierungserlass 2003 wird ausgeführt, dass in denjenigen Fällen, in denen der Gewinn des zu sanierenden Unternehmens gesondert festgestellt wird, das Betriebsstättenfinanzamt den Sanierungsgewinn ermittelt und sodann dem Wohnsitzfinanzamt mitteilt. Letzteres entscheidet sodann über den Stundungs- und/oder Erlassantrag. Das Finanzministerium Schleswig-Holstein stellt hierzu fest, dass die "nachrichtliche" Mitteilung des Sanierungsgewinns ein innerbehördlicher Vorgang und kein angreifbarer Verwaltungsakt sei. Lediglich die Aufhebung der Mitteilung des Betriebsstättenfinanzamts an den Steuerpflichtigen selbst, dass kein Sanierungsgewinn im Sinne des Sanierungserlasse vorliege, könne der Steuerpflichtige mit einer Klage erstreiten. Eine positive Feststellung eines Sanierungsgewinns sei hingegen nicht erstreitbar.

Empfehlungen für die Praxis
Die Unterscheidung zwischen unternehmens- und unternehmerbezogenen Sanierungen kann im Einzelfall zu erheblichen Schwierigkeiten führen. Die Frage des Steuererlasses in Sanierungsfällen sollte daher grundsätzlich im Wege einer verbindlichen Auskunft mit den Finanzbehörden abgestimmt werden. Alternativ kann auch über steuerneutrale Sanierungsinstrumente (z. B. Rangrücktritte etc.) nachgedacht werden.

6. Festsetzung von Grunderwerbsteuer bei Errichtung einer privatrechtlichen Stiftung

Kernaussage
Das Versprechen des Stifters im Stiftungsgeschäft zur Übertragung von Grundstücken, bedarf nicht der notariellen Beurkundung. Die Grunderwerbsteuer wird schon mit der staatlichen Anerkennung der Stiftung und nicht erst mit der nachfolgenden Übertragung und Auflassung des Grundstücks ausgelöst.

Sachverhalt
2 Stifter errichteten eine Stiftung des bürgerlichen Rechts. Im Rahmen des privatschriftlichen Stiftungsgeschäfts Anfang 2010 erklärten die Stifter, dass der Stiftung als Grundstockvermögen u. a. das Eigentum an Grundstücken übertragen werden solle. Im später notariell beurkundeten Übertragungsvertrag zur Erfüllung des Stiftungsgeschäfts wurde der inzwischen staatlich anerkannten Stiftung sodann das Grundstück übertragen. Unter Bezugnahme auf diesen Übertragungsvertrag unterwarf das beklagte Finanzamt den Vorgang der Grunderwerbsteuer. Die Stiftung ist der Auffassung, die Besteuerung des Übertragungsvertrags sei nichtig. Es hätte - wenn überhaupt - aufgrund der Stiftungserrichtungsurkunde in Verbindung mit der landesrechtlichen Anerkennung Grundsteuer festgesetzt werden dürfen. Das Finanzgericht folgt dieser Auffassung.

Entscheidung
Die Grunderwerbsteuer wird durch das Rechtsgeschäft, das einen schuldrechtlichen Anspruch auf Verschaffung des Eigentums begründet, ausgelöst. Wird dieser Anspruch durch die Auflassung nur erfüllt, unterliegt das dingliche Geschäft nicht mehr der Grunderwerbsteuer. Besteuerungsgegenstand ist vorliegend das Stiftungsgeschäft, denn mit der staatlichen Anerkennung der Stiftung ist diese rechtskräftig entstanden und hat zugleich den im Stiftungsgeschäft fixierten Anspruch auf Eigentumsübertragung gegen den Stifter erworben. Entgegen der überwiegenden Meinung ist das schuldrechtliche Geschäft auch nicht mangels notarieller Beurkundung - resultierend aus der Verpflichtung zur Grundstücksübertragung - formunwirksam. Nach Auffassung der Richter ist diese Regelung nämlich mangels Regelungslücke nicht analog auf einseitige Rechtsgeschäfte und damit auf das Stiftungsgeschäft anwendbar. Dieses bedarf nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nur der einfachen Schriftform.

Konsequenz
Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) bleibt nun abzuwarten, denn das Finanzamt hat bereits Revision eingelegt. Die Auffassung des Finanzgerichts ist kritisch zu beurteilen, denn das staatliche Anerkennungsverfahren dient allein der Überprüfung der Anerkennungsfähigkeit der Stiftung. Die Schutz,- Beweis-, und Warnfunktion der notariellen Beurkundung wird dadurch nicht ersetzt.

7. Pflichten des GmbH-Geschäftsführers bei Anzeichen einer Krise

Kernaussage
Der Geschäftsführer einer GmbH sieht sich im Fall der Insolvenz häufig einer persönlichen Haftung ausgesetzt. Der Haftungstatbestand ist durch die Rechtsprechung erheblich ausgedehnt worden. Sofern er nämlich fremde Hilfe zur Prüfung der Insolvenzreife der Gesellschaft in Anspruch nimmt, reichen nicht nur eine unverzügliche Beauftragung einer qualifizierten Person und eine Plausibilitätskontrolle zur Entlastung des Geschäftsführers aus. Vielmehr muss er auch auf die unverzügliche Vorlage der Ergebnisse der Prüfung hinwirken.

Sachverhalt
Der Kläger ist Insolvenzverwalter einer GmbH und nimmt den Beklagten als deren alleinigen Geschäftsführer auf Ersatz von Zahlungen in Anspruch. Auf Veranlassung der Hausbank der GmbH hatte der Beklagte im August 2003 eine Unternehmensberaterin mit der Prüfung der Vermögenslage der Gesellschaft sowie etwaiger Fortführungsmöglichkeiten beauftragt. Nach Vorlage der gutachterlichen Stellungnahme vom 9.11.2003 stellte der Beklagte am 12.12.2003 einen Insolvenzantrag. Der Beklagte hat in der Zeit vom 1.9.2003 bis 30.11.2003 aus der Kasse der GmbH Zahlungen u. a. an Lieferanten und Arbeitnehmer veranlasst, obgleich nach Auffassung des Klägers die GmbH ab dem 1.9.2003 zahlungsunfähig ist. Sowohl das Landgericht als auch das Berufungsgericht wiesen die Klage ab.

Entscheidung
Der Bundesgerichtshof (BGH) hob die Urteile auf und verwies den Rechtsstreit hinsichtlich der Feststellung der Zahlungsunfähigkeit der GmbH zurück. Dem Beklagten ist vorzuwerfen, dass er sich nicht rechtzeitig fachkundig hat beraten lassen, obwohl ihm die Kenntnisse zur Beurteilung der Insolvenzreife der GmbH fehlten. Bei dieser fachkundigen Person muss es sich nicht zwingend um einen Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwalt handeln. Der Geschäftsführer muss diese Person jedoch sorgfältig auswählen und überwachen sowie das Prüfergebnis einer Plausibilitätskontrolle unterziehen. Erfolgt die Prüfung durch einen Dritten darf sich der Geschäftsführer nicht mit einer unverzüglichen Auftragserteilung begnügen, sondern muss auf eine unverzügliche Vorlage der Prüfungsergebnisse hinwirken. Das Prüfungsergebnis wurde vorliegend jedoch verspätet erteilt und ist nicht zur Entlastung geeignet.

Konsequenz
Die Entscheidung verdeutlicht erneut die Haftungsrisiken des Geschäftsführers einer GmbH im Falle der Insolvenz und hat trotz alter Rechtslage auch heute noch Bedeutung. Der Geschäftsführer der GmbH kann die Verantwortung nicht auf seine Berater überwälzen, sondern muss zur Risikominimierung daneben aktiv vorgehen.

8. Wer die falsche USt-IDNr. verwendet, verliert den Vorsteuerabzug

Kernaussage
Vielen deutschen Unternehmen, die Waren in der übrigen EU einkaufen ist nicht bekannt, dass sie ein erhebliches Steuerrisiko eingehen, wenn sie den Einkauf unter ihrer deutschen USt-IDNr. abwickeln, die Ware jedoch nicht nach Deutschland geliefert wird.

Rechtslage
Unternehmer, die Waren aus anderen Mitgliedstaaten der EU erwerben, müssen hierfür einen innergemeinschaftlichen Erwerb deklarieren. Dieser wird in dem Mitgliedstaat bewirkt, in dem die Beförderung bzw. Versendung endet. Verwendet der Abnehmer nicht die USt-IDNr. des Staates in dem die Beförderung endet, sondern die eines anderen Mitgliedstaates, so gilt der innergemeinschaftliche Erwerb so lange in dem Staat der verwendeten USt-IDNr. als bewirkt, bis der Abnehmer die Besteuerung im Mitgliedstaat des Endes der Beförderung nachweist (fiktiver innergemeinschaftlicher Erwerb). In diesem Fall wird dem Abnehmer nun, abweichend zur früheren Rechtslage, der Vorsteuerabzug versagt. Ursächlich hierfür ist die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) sowie des Bundesfinanzhofs (BFH), der die deutsche Finanzverwaltung mittlerweile folgt.

Sachverhalt
Ein Unternehmer mit Sitz in Deutschland kauft Ware bei einem Unternehmer in Belgien ein. Der belgische Unternehmer liefert die Ware auf Wunsch des deutschen Unternehmers nach Österreich. Der deutsche Unternehmer verwendet seine deutsche USt-IDNr. Er hat in Deutschland einen innergemeinschaftlichen Erwerb zu versteuern; ein korrespondierender Vorsteuerabzug steht ihm nicht zu. Erst wenn der deutsche Unternehmer die Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs in Österreich nachweist, entfällt die Besteuerung in Deutschland.

Neue Verwaltungsanweisung
Das Bayerische Landesamt für Steuern weist ausdrücklich darauf hin, dass im Falle eines fiktiven innergemeinschaftlichen Erwerbs weder durch einen korrespondierenden Vorsteuerabzug noch durch eine Steuerbefreiung eine Entlastung erreicht werden kann.

Konsequenz
Viele Unternehmer verwenden ihre deutsche USt-IDNr. auch dann, wenn ihnen die Ware nicht nach Deutschland, sondern in einen anderen EU-Mitgliedstaat geliefert wird. In der Praxis kommt dies häufig bei Reihengeschäften vor. Oft wird dabei sogar bewusst die deutsche USt-IDNr. verwendet, da die gesetzliche Regelung als Wahlrecht missverstanden wird, der Besteuerung und den damit verbundenen Kosten im EU-Ausland zu entgehen. Dieses Verhalten wird nun, so auch die Intention des EuGH, durch Entzug des Vorsteuerabzuges, sanktioniert. Betroffene Unternehmen sollten diesbezüglich umgehend steuerlichen Rat einholen. So kann bei Reihengeschäften ggf. durch Änderung der Lieferwege bzw. -konditionen, ein innergemeinschaftlicher Erwerb im EU-Ausland verhindert werden.

9. Umsatzsteuer für "ebay"-Verkäufer

Kernaussage
Privatpersonen, die über ebay Gegenstände veräußern, kommen in der Regel nicht auf die Idee, die erzielten Einnahmen der Umsatzsteuer zu unterwerfen. Dies dürfte für gelegentliche Verkäufe zutreffen, mit zunehmender Zahl von Verkäufen steigt jedoch auch das Risiko, steuerlich erfasst zu werden.

Sachverhalt
Ein Ehepaar veräußerte zwischen 2001 und 2005 ca. 1200 Gegenstände, die sie diversen Produktgruppen zugeordnet hatten (z. B. Märklin, Steiff, Sigikid etc.). Die Einnahmen aus diesen Veräußerungen stiegen stetig an und erreichten in 2005 ca. 35.000 EUR. Das Ehepaar erfasste die Einnahmen weder in der Einkommensteuererklärung noch umsatzsteuerlich. Durch Anzeige eines Dritten wurde die Steuerfahndung auf das Ehepaar aufmerksam. Aufgrund der Fahndungsergebnisse unterwarf das Finanzamt sämtliche Einnahmen der Umsatzsteuer. Hiergegen wendete sich das Ehepaar mit dem Argument, lediglich private Sammlungen veräußert zu haben. Diese seien nicht in der Absicht der Wiederveräußerung angeschafft worden, so dass kein gewerbsmäßiges Handeln vorliege.

Entscheidung
Der Bundesfinanzhof (BFH) folgt dem Ergebnis der Vorinstanz. Demnach war das Ehepaar nachhaltig mit der Absicht tätig, Einnahmen zu erzielen. Entscheidend hierfür war, dass die Verkäufe des Ehepaares vom Umfang und der mit dem Vertrieb verbundenen Organisation her der Tätigkeit eines Händlers ähnelten. Unerheblich war dagegen, dass der Einkauf der Gegenstände nicht mit der Absicht der späteren Veräußerung erfolgte. Die Umsätze unterliegen der Umsatzsteuer, da die Grenze für Kleinunternehmer (17.500 EUR) überschritten wurde.

Konsequenz
Wer umfangreich über ebay oder ähnliche Internet-Plattformen handelt, sollte sich der steuerlichen Konsequenzen bewusst sein. Die Finanzbehörden versuchen schon seit längerem, Internethändlern auf die Spur zu kommen. Auch neigt die gewerbliche Konkurrenz dazu, auffälliges Verhalten anzuzeigen. Solange die Kleinunternehmergrenze nicht überschritten wird, bleibt dies zumindest für die Umsatzsteuer ohne Folgen. Zu beachten ist, dass der Verkauf einer privaten Sammlung im Regelfall nicht der Umsatzsteuer unterliegt, sofern diese den Abschluss der Sammlertätigkeit bildet. Der BFH sah dies jedoch im vorliegenden Fall nicht als gegeben an, da das Ehepaar zahlreiche "Sammlungen" mit erheblichem Aufwand veräußerte.

10. Wann sind Steuerbescheide nichtig?

Kernaussage
Erheblich voneinander abweichende Schätzungen des Finanzamtes sind nicht nichtig, solange sich die Ergebnisse nicht in Bescheiden niedergeschlagen haben.

Sachverhalt
Die Kläger betrieben einen Döner-Imbiss. Für die Jahre 2003 bis 2008 führte das Finanzamt eine Betriebsprüfung durch, die eine Verkürzung von Einnahmen und Ausgaben ergab. Nach Einleitung des Steuerstrafverfahrens fand ein erster Erörterungstermin statt, in dem die zu erwartenden Mehrsteuern auf ca. 800.000 EUR geschätzt wurden. In einem weiteren Termin wurde die Schätzung auf 550.000 EUR reduziert. Ferner bot das Finanzamt bei einer mit weiteren Auflagen verbundenen tatsächlichen Verständigung einen Zahlbetrag von 170.000 EUR an. Schließlich ergingen Steuerbescheide, die aufgrund von Hinzuschätzungen wegen Buchführungsmängel Mehrsteuern von 480.000 EUR festsetzten. Im Rahmen des Einspruchsverfahrens änderte das Finanzamt nochmals die Höhe der Hinzuschätzungen. Die Kläger sind der Auffassung, dass derart unterschiedliche Schätzungsergebnisse als willkürlich angesehen werden müssen und damit nichtig sind.

Entscheidung
Das Finanzgericht wies die Klage ab. Zwischen den Schätzergebnissen besteht zwar eine erhebliche Differenz, die Ergebnisse haben sich aber nicht in Bescheiden niedergeschlagen. Diese sind jedoch Voraussetzung dafür, dass eine willkürliche Schätzung anfechtbar wird. Selbst grobe Schätzfehler, die auf Nachlässigkeit oder auf Verkennung der Verhältnisse des Einzelfalls beruhen, machen Bescheide im Übrigen nur rechtswidrig und nicht nichtig. Auch wenn auf die Kläger durch die erste höchste Steuernachforderung im Hinblick auf die strafrechtlichen Folgen Druck ausgeübt wurde, führt dies nicht zur Nichtigkeit der späteren Bescheide. Wegen der von den Klägern zu vertretenden mangelnden Überprüfungsmöglichkeiten war lediglich eine grobe Schätzung geboten, für die verschiedene Schätzungsmethoden zur Verfügung stehen. Das Finanzamt hat zu Recht seiner Schätzung kombinierte Mittelwerte aus der amtlichen Rechtssatzsammlung für Imbisse, Pizzerien und Gaststätten zu Grunde gelegt.

Konsequenz
Die Steuerpflichtigen gaben durch ihren groben Pflichtverstoß Anlass zu einer Schätzung, deren Unsicherheiten nicht zu Lasten des Finanzamtes gehen dürfen, solange sich die Behörde innerhalb des Schätzungsrahmens bewegt.

11. Pflichtteilsberechtigung eines Abkömmlings bei Verzicht eines anderen

Kernfrage
Kinder sind gegenüber ihren Eltern pflichtteilsberechtigt. Fallen die Kinder aus (z. B. weil sie verstorben sind), treten die Enkel an die Stelle der Kinder und sind (dann gegenüber ihren Großeltern) pflichtteilsberechtigt. Allerdings sieht das Pflichtteilsrecht vor, dass "nachrangige" Pflichtteilsberechtigte von der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen ausgeschlossen sind, wenn "vorrangige" Pflichtteilsberechtigte vorhanden sind. Beseitigt werden kann der Pflichtteil dabei nur durch einen notariellen Pflichtteilsverzicht. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte jetzt zu entscheiden, wie weit der Ausschluss von "nachrangigen" Pflichtteilsberechtigten reicht, wenn der "vorrangige" Pflichtteilsberechtigte vorab einen notariellen Verzicht auf Erb- und Pflichtteil erklärt hat.

Sachverhalt
Die Beklagte ist die einzige Tochter des Erblassers. In einem notariellen Erbvertrag hatte sie zunächst für sich alleine (nicht für ihre Abkömmlinge) einen Erb- und Pflichtteilsverzicht erklärt. Die Klägerin ist die einzige Tochter der Beklagten (und Enkelin des Erblassers). Andere Abkömmlinge existieren nicht. Jahre nachdem die Beklagte ihren Erb- und Pflichtteilsverzicht erklärt hatte, setzte sie der Erblasser zu seiner Alleinerbin ein. Nach dem Tode des Erblassers nahm die Klägerin die Beklagte aus Pflichtteilsansprüchen in Anspruch.

Entscheidung
Der BGH gab der klagenden Enkelin Recht und hob das anders lautende Urteil der Vorinstanz auf. Die Ausschlussnorm des Pflichtteilsrecht, nach der "nachrangige" Pflichtteilsberechtigte bei Existenz "vorrangiger" Pflichtteilsberechtigter ausgeschlossen sind, greife hier nicht ein. Denn die Norm diene dazu, zu verhindern, dass in einem Erbenstamm mehrmals ein Pflichtteilsanspruch entstehen könne. Dies sei hier aber gerade nicht der Fall. Denn die "vorrangige" Pflichtteilsberechtigte hatte wirksam auf ihr Erb- und Pflichtteilsrecht verzichtet; sie galt also als vorverstorben. Dass sie durch den Erblasser dann mit Testament zur Alleinerbin eingesetzt worden sei, sei zulässig, für die Frage des Bestehens eines Pflichtteilsanspruches aber nicht maßgeblich. Im Ergebnis komme es dazu, dass die klagende Enkelin den Pflichtteilsanspruch des Erbenstammes geltend machen könne.

Konsequenz
Der Entscheidung ist zuzustimmen. Denn mit dem notariellen Erb- und Pflichtteilsverzicht haben Erblasser und "vorrangiger" Pflichtteilsberechtigter dafür gesorgt, dass sich der Kreis der pflichtteilsberechtigten Erben verändert. Entsprechend ist der Pflichtteilsanspruch auf die "nachrangigen" Pflichtteilsberechtigten im Stamm übergegangen. Jedenfalls gilt dies in den Fällen, in denen nur ein Erbenstamm existiert. Hätte man diese Rechtsfolge vermeiden wollen, hätte die "vorrangige" Pflichtteilsberechtigte auch für ihre Abkömmlinge auf den Pflichtteil verzichten müssen.

12. 2-Monats-Frist des AGG gilt auch für andere Schadensersatzklagen

Kernfrage
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) sieht für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen eine Ausschlussfrist von 2 Monaten vor. Werden die Ansprüche später geltend gemacht, sind sie verwirkt. Diese Norm des deutschen Rechts ist vom Europäischen Gerichtshof als europarechtskonform bestätigt worden. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte nun - ergänzend - darüber zu entscheiden, wann die 2-Monats-Frist beginnt und wie die Reichweite der Norm zu verstehen ist.

Sachverhalt
Gestützt auf verschiedene Anspruchsgrundlagen auch außerhalb des AGG hatte eine abgelehnte Bewerberin auf Schadensersatz geklagt, die sich mit 41 Jahren auf eine Stellenausschreibung für Arbeitnehmer im Alter zwischen 18 und 35 Jahren beworben hatte und nicht eingestellt worden war. Mit ihrer Klage hatte sie eine durch die Stellenanzeige indizierte Diskriminierung wegen Alters geltend gemacht. Ihre Klage hatte sie nach 2 Monaten und 10 Tagen eingereicht.

Entscheidung
Aufgrund der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, der in dieser Sache die 2-monatige Ausschlussfrist im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens für europarechtskonform erklärt hatte, stellte das BAG fest, dass die Klage verfristet war. Die 2-monatige Ausschlussfrist beginne in dem Moment zu laufen, in dem der Arbeitnehmer/Bewerber von der möglichen Diskriminierung Kenntnis erlange (hier: mit Mitteilung der Nichteinstellung). Darüber hinaus erfasse die Ausschlussfrist alle Schadensersatzansprüche, die auf eine Diskriminierungshandlung gestützt wären. Mit anderen Worten, sie gilt auch dann, wenn der Schadensersatzanspruch auf eine Norm gestützt wird, die außerhalb des AGG liegt.

Konsequenz
Die Entscheidung ist zu begrüßen, weil sie klare Grundlagen für die Bestimmung des Fristlaufs im Rahmen der Ausschlussfrist festlegt; auch wenn es im Prozess streitig sein kann, wann Kenntnis von der Diskriminierung vorlag. Darüber hinaus stellt sie klar, dass sich Arbeitnehmer nicht auf sekundäre Anspruchsgrundlagen stützen können, um die Ausschlussfrist zu umgehen.

13. Steuerliche Behandlung des Wirtschaftsgutes "Wald"

Kernaussage
Mit Schreiben vom 16.5.2012 passt das Bundesministerium der Finanzen (BMF) im Bereich der Besteuerung der Forstwirtschaft seine bisherigen Auslegungsregelungen an die Änderungen des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 an.

Allgemeines
Unverändert zur bisherigen Rechtslage ist Wald bzw. stehendes Holz dann ein eigenständiges und getrennt vom Grund und Boden zu bewertendes Wirtschaftsgut, wenn der stehende Baumbestand selbstständig nutzbar ist. Innerhalb eines landwirtschaftlichen Betriebes tritt ein Baumbestand nur dann als selbstständiges Wirtschaftsgut hervor, wenn dieser eine zusammenhängende Fläche von mindestens einem Hektar aufweist. Nicht zusammenhängende Baumbestände stellen entsprechend für sich eigenständige Wirtschaftsgüter dar.

Bilanzierung
Ebenfalls im Grunde unverändert bleiben die Regelungen zur Bilanzierung des Wirtschaftsgutes Holz, die sich nach der jeweiligen Nutzungsform richten. Zu bilanziellen und steuerlichen Zwecken ist bei den Nutzungsformen zwischen dem Kahlschlag und so genannten anderen Nutzungsformen zu unterscheiden. Wird ein Baumbestand durch einen Kahlschlag gerodet, so wird dieser aus der Gesamtheit des jeweiligen Waldes herausgelöst. Infolge dieses Eingriffs ist das geschlagene Holz dem Umlaufvermögen zuzurechnen und der Buchwert des verbleibenden Baumbestands ist um den Umfang des Einschlags zu mindern. Wiederaufforstungskosten in Folge des Kahlschlags stellen Herstellungskosten des neu entstehenden Baubestandes dar. Erfolgt die Aufforstung erst im Folgejahr, so darf hierfür keine Rückstellung gebildet werden. In Abgrenzung zu einem Kahlschlag hat die Entnahme einzelner, hiebreifer Bäume in der Regel keine Buchwertminderung des Gesamtbestands zur Folge. Ferner stellen Aufwendungen für Pflege und Wiederaufforstung sofort abziehbare Betriebsausgaben dar und sind als solche nicht zu aktivieren. Besteht eine Verpflichtung zur Wiederaufforstung, so ist gegebenenfalls eine entsprechende Rückstellung zu bilden.

Steuerliche Behandlung
Änderungen aufgrund des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 ergeben sich insbesondere für die Behandlung von Wiederaufforstungskosten bei der pauschalen Gewinnermittlung nach § 51 EStDV sowie bei der zeitlichen Anwendung der Tarifvergünstigung im Falle einer außerordentlichen Holznutzung nach § 34 b EStG.

Pauschale Gewinnermittlung nach § 51 EStDV
Während bis Ende 2011 die mit einer Holznutzung im Zusammenhang stehenden Wiederaufforstungskosten durch die Pauschsätze nach § 51 EStDV (65 % bei Holzeinschlag, 40 % bei Verkauf des stehenden Holzes) abgegolten waren, werden diese ab 2012 gesondert behandelt. So sind die zur Bestimmung des pauschalen Aufwandes angewandten Pauschsätze auf 55 % bei Holzeinschlag bzw. 20 % bei Verkauf des stehenden Holzes vermindert worden, dafür sind die angefallenen Wiederaufforstungskosten zukünftig in ihrer tatsächlichen Höhe im Wirtschaftsjahr ihrer Zahlung abziehbar. Analog hierzu sind im Falle eines Kahlschlages die sich ergebenen Buchwertminderungen und Buchwertabgänge beim Wirtschaftsgut Baumbestand ab 2012 gesondert zu den neuen Pauschsätzen als Betriebsausgaben abzuziehen, während diese bis Ende 2011 ebenfalls mit den Pauschsätzen abgegolten waren. Nicht um die pauschalen Betriebsausgaben vermindert werden dürfen Zuschüsse zu Wiederaufforstungen, da diese Betriebseinnahmen darstellen, die in keinem Zusammenhang mit der Holzverwertung stehen.

Zeitliche Anwendung der Tarifvergünstigung im Falle einer außerordentlichen Holznutzung nach § 34b EStG
Zur Minderung der wirtschaftlichen Folgen in Folge von höherer Gewalt (z. B. Sturm) wird auf den Verkauf von Holz aus einer außerordentlichen Holznutzung ein ermäßigter Steuersatz angewandt. Zur Nutzung der Tarifbegünstigungen müssen entsprechende Schäden der zuständigen Finanzbehörde unverzüglich mitgeteilt werden. Für nach dem 31.12.2011 beginnende Wirtschaftsjahre sind im Falle einer außerordentlichen Holznutzung bei der Ermittlung der Einkünfte sowohl die Buchwertminderung als auch die Wiederaufforstungskosten zu berücksichtigen. Für das Wirtschaftsjahr 2011/12 gilt § 34 b EStG sowohl in seiner alten als auch in seiner neuen Fassung, so dass an dieser Stelle ein Wahlrecht besteht. Abweichend von der Regel, dass bei abweichenden Wirtschaftsjahren außerordentliche Gewinne vollständig im Veranlagungszeitraum ihres Entstehens zu versteuern sind, darf aus Vereinfachungsgründen im Wirtschaftsjahr 2011/12 die Tarifbegünstigung des § 34 b EStG einmalig auf das gesamte Wirtschaftsjahr angewendet werden.

14. Steuerliche Liebhaberei in der Pferdehaltung

Kernaussage
Wird eine neben dem Kaufpreis hohe Investitionen erfordernde Reitanlage angeschafft, um die Altersvorsorge einer bereits 58-jährigen Person abzusichern, die als erfolgreiche Geschäftsführerin eines mittelständischen Industrieunternehmens über keinerlei Pferdewirtschaftswissen verfügt und auch nicht selbst reitet, wird der Betrieb nicht mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben, wenn ein schlüssiges betriebswirtschaftliches Konzept, aus dem sich die Erzielbarkeit eines Totalgewinns entnehmen lässt, nicht besteht und die Investition lediglich mit den hohen Lohnsteuererstattungsansprüchen, welche die effektiv auszugleichenden Verluste mehr als übersteigen, erklärbar ist.

Sachverhalt
Streitig war die Gewinnerzielungsabsicht beim defizitären Betrieb einer Reitanlage. Eine vermögende Geschäftsfrau, die aus ihrer Geschäftsführertätigkeit ein Einkommen in Millionenhöhe erzielt, erwarb eine Reitanlage, die sie zunächst mit erheblichen Aufwand sanierte, ausbaute und anschließend verpachte. Nach dem Auslaufen des Pachtvertrages führte sie den Betrieb auf eigene Rechnung fort, ohne dass sie selbst über pferdespezifisches Wissen verfügte. Aufgrund der im Zuge der aufwendigen Sanierung angefallenen Abschreibungen sowie der hohen, laufenden Betriebskosten erwirtschaftete die Geschäftsfrau während des gesamten Betriebes jährlich Verluste im sechsstelligen Bereich. Infolge dessen unterstellte das Finanzamt im Rahmen einer Betriebsprüfung, dass der Betrieb der Reitanlage ohne Gewinnerzielungsabsicht erfolgte und erkannte die erzielten Verluste folglich steuerlich nicht mehr an.

Entscheidung
Das Finanzgericht (FG) gab dem Finanzamt im Grunde Recht, da auch aufgrund der hohen Abschreibungen selbst für einen Zeitraum von 50 Jahren kein Totalgewinn erzielbar sei. Somit sei von Beginn an keine Gewinnerzielungsabsicht erkennbar gewesen. Zudem führte das FG aus, die Einschätzung werde dadurch bestärkt, dass die Geschäftsfrau durch die Verrechnung der Verluste mit den aus der nichtselbstständigen Tätigkeit stammenden Einkünften ihre Steuerbelastung erheblich senken konnte. So überstiegen die sich durch die Verlustverrechnung ergebenen Lohnsteuererstattungen sogar die Einlagen, die zur Aufrechterhaltung des dauerhaft defizitären Geschäftsbetriebs geleistet wurden. Wenngleich die betreffenden Steuerbescheide unter dem Vermerk der Vorläufigkeit ergangen waren, durften die Verluste aus den Anfangsjahren aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht mehr aberkannt werden, da diese bereits verjährt waren und die Vorläufigkeitsvermerke hinsichtlich ihres Grundes und Umfanges nicht hinreichend bestimmt waren.

Konsequenz
Die Problematik der steuerlichen Liebhaberei im Bereich der Pferdehaltung ist grundsätzlich ein regelmäßig auftretendes Problem. Bemerkenswert bei der Bewertung des Reitbetriebs als Liebhaberei durch das FG ist in diesem Zusammenhang der explizite Verweis auf die nicht aus dem Reitbetrieb stammenden Einkünfte und den sich aus der Verlustverrechnung ergebenden Steuervorteil. Dies legt den Schluss nahe, dass seitens der Finanzverwaltung bzw. der Gerichte die Grenzen der Liebhaberei bei vermögenden Personenkreisen besonders eng ausgelegt werden.

15. Kürzung der Pendlerpauschale bei neuen Tatsachen?

Kernproblem
Wird dem Arbeitnehmer ein Dienstwagen überlassen und ist ihm eine Nutzung zu privaten Zwecken sowie der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ausdrücklich untersagt, entsteht grundsätzlich kein Sachbezugswert, den es zu versteuern gilt. Kommt jedoch eine spätere Prüfung des Finanzamts zu dem Ergebnis, dass das Nutzungsverbot vom Arbeitgeber nicht kontrolliert wurde, kann es zur Nachversteuerung kommen. Hierfür kann der Arbeitgeber den anteiligen Sachbezug der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte lohnsteuerlich mit 15 % pauschalieren. Das gilt bis zu der Höhe, zu der der Arbeitnehmer auch Werbungskosten (üblicherweise durch Entfernungspauschale) geltend machen könnte. Der pauschal besteuerte Arbeitslohn bleibt bei einer Veranlagung des Arbeitnehmers außer Ansatz. Können sich aber trotzdem Nachteile beim Arbeitnehmer ergeben?

Sachverhalt
Einem Arbeitgeber wurde in einer Lohnsteueraußenprüfung die Nichtüberwachung des Verbots zur Privatnutzung eines überlassenen Dienstwagens vorgeworfen. Nachdem daraufhin vom Arbeitgeber die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte pauschal nachversteuert wurden, kam es auch für den Arbeitnehmer zu einem bösen Erwachen, denn das Finanzamt kürzte seine bei der Einkommensteuerveranlagung geltend gemachten Werbungskosten. Das war auch materiell rechtens, denn die pauschal besteuerten Bezüge sind zwar kein Arbeitslohn, mindern aber die abziehbaren Werbungskosten der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Der Arbeitnehmer wehrte sich nicht nur gegen den Vorwurf der Privatnutzung im Allgemeinen, sondern beanstandete auch die Änderung seiner bestandskräftigen Bescheide.

Entscheidung
Das Sächsische Finanzgericht erkannte neben der materiellen auch die formelle Rechtmäßigkeit der Änderung des Steuerbescheides an und wies die Klage des Arbeitnehmers ab. So stelle der beim Arbeitgeber festgestellte Umstand, dass die von dem Arbeitnehmer laut Arbeitsvertrag zu führenden Fahrtenbücher nicht hinreichend aussagekräftig waren und zudem nicht durch den Arbeitgeber kontrolliert worden sind, eine dem Finanzamt erst nach seiner ursprünglich erklärungsgemäßen Einkommensteuerfestsetzung bekannt gewordene "neue" Tatsache dar. Diese berechtige zu einer Änderung. Die vom Arbeitnehmer insoweit geltend gemachten Werbungskosten dürften dabei maximal in Höhe des absoluten pauschal besteuerten Nutzungsvorteils gekürzt werden.

Konsequenz
Wird ein Sachbezug beim Arbeitgeber nachversteuert, hat das zumeist auch Folgeauswirkung auf die Arbeitnehmerveranlagung. Im Pauschalierungsfall droht die Kürzung der Werbungskosten, auch wenn sich der Arbeitnehmer im konkreten Streitfall zurzeit noch durch Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesfinanzhof (BFH) wehrt.

16. Doppelbesteuerung einer deutsch-französischen Erbschaft?

Kernfrage
Die deutsche Erbschaftsteuer besteuert das gesamte Vermögen eines Erblassers unabhängig vom Ort, an dem es gelegen ist. Existiert auch Auslandsvermögen, wird dieses regelmäßig auch im ausländischen Staat einer Erbschaftsteuer unterworfen. Es kommt zur Doppelbelastung; jedenfalls dann, wenn kein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) besteht. Um diese Doppelbesteuerung abzumildern, sieht das deutsche Erbschaftsteuerrecht unter bestimmten Voraussetzungen eine (anteilige) Anrechnung der ausländischen Erbschaftsteuer auf die deutsche Erbschaftsteuer vor. Die Doppelbelastung bleibt aber bestehen. Das Finanzgericht Baden-Württemberg hatte über die Zulässigkeit dieser Doppelbesteuerung zu entscheiden; und zwar in einem Fall, in dem sich eine Gesamtsteuerbelastung von rd. 72 % ergab.

Sachverhalt
Geklagt und mit Verstößen gegen deutsches Verfassungsrecht sowie europäische Grundrechte begründet, hatte eine Erbin, die deutsches und französisches Kapitalvermögen geerbt hatte, das in Frankreich mit 55 % besteuert worden war. Sie wehrte sich gegen die parallel auf das französische Vermögen festgesetzte deutsche Erbschaftsteuer und machte geltend, diese müsse insgesamt, jedenfalls über die gesetzlichen Vorgaben hinaus angerechnet oder als Nachlassverbindlichkeit in der deutschen Erbschaftsteuerberechnung abgezogen werden.

Entscheidung
Die Klägerin unterlag vor dem Finanzgericht, allerdings wurde die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) zugelassen und ist dort zurzeit rechtshängig. Zur Begründung führte das Gericht aus, das deutsche Gesetz sehe eine über die gesetzlichen Anrechnungsbestimmungen hinausgehende Anrechnung nicht vor. Diese Regelungen seien sowohl mit deutschem Verfassungsrecht als auch mit europäischem Recht vereinbar. Insbesondere verhalte es sich nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes so, dass die Mitgliedstaaten (noch) nicht verpflichtet seien, ihre Steuersysteme aufeinander abzustimmen. Das heißt, systematische Härten in einzelnen Steuerarten seien hinzunehmen. Einer Berücksichtigung der ausländischen Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit stehe die deutsche Gesetzesregelung entgegen, nach der die eigene Erbschaftsteuer gerade nicht Nachlassverbindlichkeit sein könne. Hier seien französische und deutsche Erbschaftsteuer gleich zu behandeln. Das geeignete Mittel diesen Systemfehler zu beheben, sei der Abschluss eines DBA.

Konsequenz
Die Entscheidung des BFH bleibt abzuwarten; allerdings erscheint eine Erbschaftsteuerbelastung insgesamt von über 50 % nach deutschem Verständnis unangemessen. Dabei wird es der Klägerin kein Trost sein, dass ihr Fall zum Abschluss des Erbschaftsteuer-Doppelbesteuerungsabkommens mit Frankreich geführt hat, auf das sie sich aber (noch) nicht berufen konnte. Aus Beratersicht sind angesichts des Revisionsverfahrens entsprechende Erbschaftsteuerbescheide offen zu halten.

17. Wechsel zur Fahrtenbuchmethode im laufenden Kalenderjahr unzulässig

Kernproblem
Die private Nutzung eines Dienstwagens ist für jeden Kalendermonat mit 1 % des Pkw-Listenpreises anzusetzen. Abweichend hiervon kann der Wert mit dem auf die private Nutzung entfallenden Teil der Kraftfahrzeugaufwendungen durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen werden. Der Begriff des ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs ist gesetzlich nicht näher bestimmt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) müssen die Aufzeichnungen u. a. zeitnah, in geschlossener Form und unter Angabe des Gesamtkilometerstandes in ihrem fortlaufenden Zusammenhang wiedergegeben werden. Bisher noch höchstrichterlich ungeklärt ist die Frage, ob der Wechsel von der 1 %-Regel zur Fahrtenbuchmethode während des laufenden Kalenderjahres möglich ist, ohne dass ein Fahrzeugwechsel erfolgt.

Sachverhalt
Ein Angestellter und dreifacher Vater hatte von seinem Arbeitgeber einen Dienstwagen zur Verfügung gestellt bekommen, der auch privat genutzt werden durfte. Zum 1.5. des Streitjahres begann er mit der Führung eines inhaltlich ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs, während vorher die 1 %-Methode angewendet wurde. Der Arbeitgeber ermittelte den Sachbezug ab Mai auf Basis des Fahrtenbuchs, was das Finanzamt anlässlich einer Lohnsteuer-Außenprüfung beanstandete. Das Finanzamt bezog sich auf die Verwaltungsanweisung, nach der bei demselben Kfz das Verfahren während des Kalenderjahrs nicht gewechselt werden darf. Der Familienvater begründete den Methodenwechsel mit der Geburt seines dritten Kindes und die eingeschränkte Privatnutzungsmöglichkeit des Dienstwagens wegen der Platzierung von 3 Kindersitzen. Nach ablehnender Einspruchsentscheidung des Finanzamts klagte er wegen familienfeindlicher Richtlinienanwendung vor dem Finanzgericht Münster.

Entscheidung
Das Gericht folgte der von der Finanzverwaltung vertretenen Auffassung, denn eine monatlich wechselnde Fahrtenbuchführung berge eine erhöhte Manipulationsgefahr und sei schwer überprüfbar. Die Richter sehen ein Fahrtenbuch nur dann als ordnungsgemäß an, wenn es für einen repräsentativen Zeitraum von mindestens einem Jahr geführt wird. Dagegen widerspreche ein monatlicher Wechsel zwischen der Fahrtenbuch- und der 1 %-Methode dem Vereinfachungs- und Typisierungsgedanken der gesetzlichen Regelung.

Konsequenz
Das Gericht hat die persönlichen Lebensumstände bei seiner Entscheidung unberücksichtigt gelassen. Ob das Bestand haben wird, kann jetzt der BFH überprüfen, denn dort ist die Revision wegen besonderer Bedeutung anhängig geworden.

18. Wann müssen Arbeitnehmer ihren Dienstwagen nach Kündigung zurückgeben?

Kernfrage
Wird Arbeitnehmern ein Dienstwagen auch zur privaten Nutzung überlassen, stellt der Dienstwagen einen Gehaltsbestandteil dar, den der Arbeitnehmer versteuern muss. Wird das Arbeitsverhältnis gekündigt und ist arbeitsvertraglich nichts geregelt, ist der Dienstwagen erst mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses an den Arbeitgeber zurückzugeben. Deshalb sehen Arbeitsverträge Regelungen zur vorzeitigen Rückgabe von Dienstfahrzeugen vor. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte nunmehr über die Wirksamkeit solcher Rückgabeklauseln, hier in Form des Widerrufs der Gewährung eines Dienstfahrzeugs, sowie die Angemessenheit ihrer Ausübung zu entscheiden.

Sachverhalt
Nachdem ein Arbeitnehmer die Eigenkündigung erklärt hatte, verlangte der Arbeitgeber die unverzügliche Rückgabe eines überlassenen Dienstfahrzeugs (des einzigen Fahrzeugs des Arbeitnehmers). Diese erfolgt am Tag nach der Kündigung; ab diesem Tag war der Arbeitnehmer freigestellt. Grundlage war eine Regelung im Arbeitsvertrag, die vorsah, dass ein Dienstwagen zurückzugeben war, sobald eine Freistellung erfolgte. Gleichzeitig schloss der Arbeitsvertrag Schadensersatzansprüche aus. Dennoch machte der Arbeitnehmer Schadensersatzansprüche wegen der vorzeitigen Beendigung der Dienstfahrzeugnutzung in Höhe einer Ausfallentschädigung geltend.

Entscheidung
Der Arbeitnehmer bekam vor dem BAG Recht. Zwar urteilte das Gericht, die Klausel, die einen Widerruf der Fahrzeuggestellung mit Beginn der Freistellung ermögliche, sei auch unter den Gesichtspunkten Allgemeiner Geschäftsbedingungen wirksam, weil der Rückgabezeitpunkt klar geregelt sei. Ungeachtet dessen stehe dem Arbeitnehmer der Ersatzanspruch zu, weil der Widerruf der Fahrzeuggestellung im konkreten Fall unangemessen gewesen sei. Zum einen habe der Arbeitgeber den Widerruf nicht begründet, zum anderen habe der Arbeitnehmer kein anderes Fahrzeug gehabt. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass der Arbeitnehmer den geldwerten Vorteil der privaten Nutzung für den vollen Monat, in den der Widerruf fiel, habe versteuern müssen.

Konsequenz
Regelungen in Arbeitsverträgen zur sofortigen Rückgabe eines Dienstfahrzeugs sind, wenn sie klar formuliert sind, wirksam. Allerdings wird der Arbeitgeber bei Widerruf nicht umhin kommen, eine Angemessenheitsprüfung vorzunehmen, um sich nicht Schadensersatzansprüchen ausgesetzt zu sehen.

19. Anspruch auf bestimmten Inhalt einer verbindlichen Auskunft?

Kernaussage
In der Praxis besteht oftmals ein erhebliches Interesse, vom Finanzamt eine verbindliche Auskunft über die steuerliche Behandlung bestimmter geplanter Sachverhalte zu erhalten. Wird sodann eine Negativauskunft erteilt, kann diese nur dahingehend gerichtlich überprüft werden, ob die gegenwärtige rechtliche Einordnung schlüssig und nicht offensichtlich unrichtig ist.

Sachverhalt
Der Kläger beantragte eine verbindliche Auskunft zur Steuerbarkeit einer Erbbaurechtsbestellung an 2 landwirtschaftlichen Grundstücken zu Erschließungszwecken. Nach seiner Auffassung sollte durch diese Erbbaurechtsbestellung noch kein einkommensteuerlich relevantes privates Veräußerungsgeschäft realisiert werden, weil das wirtschaftliche Eigentum nicht bereits bei Abschluss des Erbbaurechtsvertrags auf den Erbbauberechtigten übergehe. Das beklagte Finanzamt stimmte dem nicht zu und teilte dies in seiner verbindlichen Auskunft mit. Hiergegen richtet sich die Klage, mit der der Kläger die erteilte Auskunft auf ihre inhaltliche Richtigkeit voll überprüft haben möchte. Klage und Revision blieben erfolglos.

Entscheidung
Der Bundesfinanzhof (BFH) stellte fest, dass eine verbindliche Auskunft gerichtlich nur dahingehend zu überprüfen ist, ob die rechtliche Einordnung des Sachverhalts in sich schlüssig ist und nicht evident rechtsfehlerhaft ist. Die verbindlichen Auskunft hat damit lediglich den Anforderungen eines fairen rechtsstaatlichen Verwaltungsverfahrens zu genügen. Die materielle (inhaltliche) Richtigkeit der Auskunft ist hingegen erst im Besteuerungsverfahren, also im Rahmen der Anfechtung des konkreten Steuerbescheides zu überprüfen. Diese beschränkte Überprüfbarkeit ergibt sich aus der Funktion bzw. dem Regelungsgehalt der verbindlichen Auskunft. Sie soll dem Steuerpflichtigen insoweit Planungs- und Entscheidungssicherheit geben, als sie lediglich regelt, wie die Finanzbehörde gegenwärtig eine hypothetische Gestaltung beurteilen würde. die verbindliche Auskunft trifft indes keine Aussage über die Rechtmäßigkeit einer Steuerfestsetzung.

Konsequenz
Auch die Negativauskunft enthält die Zusicherung einer bestimmten künftigen steuerlichen Behandlung. Will der Steuerpflichtige dennoch den Sachverhalt verwirklichen, wird er zwangsläufig mit einem Rechtsstreit rechnen müssen. Weshalb nicht bereits im Vorfeld eine umfassende gerichtliche Überprüfung stattfinden soll, ist für den Steuerpflichtigen unter prozessökonomischen Aspekt schwer nachvollziehbar.

20. Grunderwerbsteuer bei Änderung im Gesellschafterbestand einer Personengesellschaft

Kernaussage
Die Übertragung von mindestens 95 % der Anteile an einer grundbesitzenden Personengesellschaft ist auch dann steuerbar, wenn der (Alt-)Gesellschafter nach der Übertragung der Anteile weiter mittelbar zu 100 % an dem Vermögen der Gesellschaft beteiligt bleibt. Die entstandene Grunderwerbsteuer wird jedoch insgesamt nicht erhoben, wenn der teils unmittelbar, teils mittelbar über eine Kapitalgesellschaft beteiligte Gesellschafter diese Anteile auf eine andere Personengesellschaft überträgt und er an dieser zwischengeschalteten Personengesellschaft unmittelbar allein beteiligt bleibt.

Sachverhalt
An einer grundstücksbesitzenden KG war eine AG unmittelbar mit 99 % beteiligt. Den restlichen Anteil von 1 % hielt eine GmbH, die wiederum eine 100 %ige Tochter der AG war. In Vollzug einer Ausgliederung übertrug die AG im Jahr 2001 ihre Beteiligungen an der KG und der GmbH auf eine weitere KG, die ebenfalls eine 100 %ige Tochter der AG war. Das beklagte Finanzamt ist der Auffassung, dass die Übertragung der unmittelbaren und mittelbaren Beteiligungen der AG an der KG dem Grunderwerbsteuergesetz in der damals geltenden Fassung unterfällt. Für die mittelbare Übertragung des 1 %igen Anteils, den die GmbH an der KG hielt, setzte das Finanzamt die Steuer fest. Für die Übertragung des 99 %igen Anteils wurde die Steuer wegen einer Ausnahmeregelung unstreitig nicht erhoben. Dieser Auffassung ist weder das Finanzgericht noch der Bundesfinanzhof gefolgt.

Entscheidung
Für die Anteilsübertragungen sind insgesamt keine Grunderwerbsteuern zu erheben, denn sowohl die unmittelbare als auch die mittelbare Übertragung unterfallen der grunderwerbsteuerlichen Ausnahmeregelung. Die gesetzliche Bestimmung ist dahingehend auszulegen, dass die Grunderwerbsteuer insgesamt nicht erhoben wird, wenn der teils unmittelbar, teils mittelbar allein vermögensmäßig beteiligte Gesellschafter der grundbesitzenden Personengesellschaft seine Anteile auf eine andere Personengesellschaft überträgt, an deren Vermögen er unmittelbar allein beteiligt ist. Auf diesem Weg soll der Grundstückserwerb von einer Gesamthand von der Grunderwerbsteuer befreit werden, wenn aufgrund der gesamthänderischen Verbundenheit der Gesellschafter das Grundstück trotz Rechtsträgerwechsel im alten Zurechnungsbereich verbleibt.

Konsequenz
Das Urteil ist zu begrüßen, denn im Ergebnis stellt sich die Übertragung der Anteile als bloße Verlängerung der Beteiligungskette dar.

21. Gaspreiserhöhung muss angekündigt werden

Kernaussage
Nach der so genannten europäischen Erdgasbinnenmarktrichtlinie muss ein Gasversorger dem Kunden jede Preiserhöhung vorab mitteilen und auch über das Kündigungsrecht informieren. Das Oberlandesgericht Düsseldorf entschied kürzlich, dass diese Richtlinienvorgaben in der für Gas-Haushaltskunden geltenden Verordnung nicht vollständig umgesetzt werden.

Sachverhalt
Die beklagte Gaskundin bezieht von dem klagenden Gasversorger Gas. Die Kundin unterliegt der Grundversorgung mit Erdgas, die Vertragsbeziehung ist durch faktischen Bezug zustande gekommen. Für den Zeitraum von September 2005 bis September 2010 stellte der klagende Gasversorger der Kundin Preiserhöhungen in Rechnung. Die Kundin zahlte nicht, da die Preiserhöhungen nicht gerechtfertigt seien. Insgesamt beläuft sich die Klageforderung auf über 5.000 EUR. Zunächst obsiegte das Gasunternehmen, verlor jedoch vor dem Oberlandesgericht.

Entscheidung
Nach Ansicht der Richter muss die beklagte Kundin nicht zahlen. Zwar steht dem Gasversorger ein einseitiges Preisanpassungsrecht zu; allerdings müssen bei Preisanpassungen die Vorgaben der Erdgasbinnenmarktrichtlinie zum Verbraucherschutz und zur Transparenz beachtet werden. So muss den Kunden bei einer Änderung der Vertragsbedingungen ein Rücktrittsrecht gewährt werden, die Kunden müssen über beabsichtigte Änderungen der Vertragsbedingungen unterrichtet werden, es muss eine Information über das Rücktrittsrecht erfolgen und Gebührenerhöhungen müssen mit angemessener Frist mitgeteilt werden. In der entsprechenden deutschen Verordnung fehlt indes die Belehrung über das Kündigungsrecht des Kunden, in der bis November 2006 geltenden (Alt-)Verordnung mangelte es an der Verpflichtung der Gasversorger zur Information des Kunden über eine Preisänderung. Jedoch sind die Richtlinienbestimmungen hier im Wege der richtlinienkonformen Auslegung in die nationalen Vorschriften hineinzulesen. Entsprechend der fehlerhaften Verordnungen wurde die Kundin nicht ausreichend belehrt. Die Verstöße gegen die Erdgasbinnenmarktrichtlinie führen hier dazu, dass die Preiserhöhungen nicht durchsetzbar sind.

Konsequenz
Durch die Entscheidung wird der Verbraucherschutz gegenüber Gasversorgern gestärkt. Den Transparenzanforderungen der Erdgasbinnenmarktrichtlinie muss vollumfänglich Rechnung getragen werden. Bei einem Verstoß bestehen nicht nur Schadensersatzansprüche, sondern es kann schon keine Zahlung verlangt werden. Das letzte Wort hat jetzt der Bundesgerichtshof.

22. Zur Beschwerdebefugnis von Kommanditisten einer GmbH & Co. KG

Kernaussage
Der Gesellschafterbeschluss über die Abberufung des Geschäftsführers der Komplementär-GmbH einer GmbH & Co. KG entfaltet nur hinsichtlich der Komplementär-GmbH sowie des abberufenen Geschäftsführers unmittelbare Rechtsfolgen. Diese sind hinsichtlich des Beschlusses beschwerdebefugt, nicht aber die Kommanditisten der GmbH & Co. KG.

Sachverhalt
Am 1.4.2010 fand eine gemeinsame Gesellschafterversammlung der GmbH & Co. KG und ihrer Komplementär-GmbH statt. Bei der GmbH & Co. KG handelte es sich um eine so genannte Einheitsgesellschaft, d. h. die GmbH & Co. KG hielt sämtliche Geschäftsanteile an der Komplementär-GmbH. An der GmbH & Co. KG waren neben der Komplementär-GmbH noch 2 Kommanditisten beteiligt. Auf der Gesellschafterversammlung fasste einer der beiden Kommanditisten unter Ausschluss des Stimmrechts des anderen den Beschluss, diesen (anderen) Kommanditisten aus der GmbH & Co. KG auszuschließen und als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH abzuberufen. Die Abberufung wurde wenig später ins Handelsregister eingetragen. Bei einer weiteren Gesellschafterversammlung am 23.4.2010 wurde der Kommanditist, der zuvor den anderen per Beschluss ausgeschlossen hatte, selbst als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH abberufen und ein weiterer Dritter zum Geschäftsführer bestellt. Gegen die Eintragung seines Ausscheidens aus der GmbH & Co. KG in das Handelsregister wandte sich der in der ersten Gesellschafterversammlung am 1.4.2010 ausgeschlossene Kommanditist. Das Handelsregister wies sodann zunächst die Anmeldung der Beschlussinhalte vom 23.4.2010 zurück. Der Beschluss sei nicht wirksam, da es nach der Satzung der Komplementär-GmbH der - nicht erfolgten - Mitwirkung des Ausgeschlossenen an der Beschlussfassung als noch eingetragener Kommanditist der GmbH & Co. KG bedurft hätte. Gegen diese Entscheidung wandte sich wiederum der ausgeschlossene Kommanditist und machte geltend, er habe dem Beschluss vom 23.4.2010 insoweit nachträglich zugestimmt, als er die Abberufung des anderen Kommanditisten als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH betreffe.

Entscheidung
Das Oberlandesgericht Hamburg verwarf die Beschwerde als unzulässig mangels Beschwer. Das Rechtsmittel der Beschwerde steht demjenigen zu, der durch eine gerichtliche Entscheidung in seinen Rechten beeinträchtigt wird. Hierfür muss unmittelbar nachteilig in die Rechtsstellung des Beschwerdeführers eingegriffen worden sein. Dies war jedoch vorliegend für den ausgeschlossenen Kommanditisten nicht der Fall. Die Zurückweisung der Anmeldung vom 23.4.2010 betreffend die GmbH stellt selbst für die GmbH & Co. KG als deren Alleingesellschafterin allenfalls eine mittelbare Beeinträchtigung dar. Eine abweichende Beurteilung hätte in Betracht kommen können, wenn der ausgeschlossene Kommanditist seine Beschwerde als vermeintlicher Geschäftsführer der Komplementär-GmbH erhoben hätte, was jedoch nicht der Fall war.

Konsequenz
Bei hybriden Gesellschaftsformen wie der GmbH & Co. KG ist bei der Beschwerdeberechtigung genau darauf zu achten, ob die GmbH & Co. KG selbst oder die Komplementär-GmbH betroffen ist.

23. Keine "öffentliche Wiedergabe" durch Verbreiten von Tonträgern in Zahnarztpraxis

Kernaussage
Gegenstand vieler Auseinandersetzungen im Bereich des Urheberrechts ist der Anspruch des Künstlers und des Tonträgerherstellers auf eine angemessene Vergütung. Die private Nutzung ist grundsätzlich vergütungsfrei. Doch wann endet die private Nutzung und kommt es zu einer "öffentlichen Wiedergabe"? Eine vergütungspflichtige "öffentliche Wiedergabe" liegt jedenfalls vor, wenn in Hotels oder Gaststätten Rundfunksendungen übertragen werden. Dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) wurde nun die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob auch das Radio in einer Zahnarztpraxis eine gesonderte Vergütungspflicht auslöst.

Sachverhalt
Eine Musikverwertungsgesellschaft in Italien hatte Klage auf Zahlung einer angemessenen Vergütung gegen einen Zahnarzt erhoben, der in seiner privaten Zahnarztpraxis für seine Patienten ein Radio eingeschaltet hatte. Zuvor war der Abschluss eines Abkommens mit dem Verband italienischer Zahnärzte gescheitert. Die Klage wurde erstinstanzlich abgewiesen und vom Berufungsgericht dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Entscheidung
Der EuGH hat den in einer EU-Richtlinie verwendeten Begriff der "öffentlichen Wiedergabe" dahingehend ausgelegt, dass er nicht die kostenlose Übertragung von Tonträgern in einer Zahnarztpraxis für Patienten erfasst. Infolgedessen begründe eine solche Wiedergabe keinen Vergütungsanspruch. Es liege keine "Öffentlichkeit" vor, da der Kreis der gleichzeitig in der Arztpraxis anwesenden Personen im Allgemeinen sehr begrenzt sei. Die Wiedergabe sei für sich genommen nicht geeignet, sich auf die Einkünfte des Zahnarztes auszuwirken. Der Arzt, der in Anwesenheit seiner Patienten Hintergrundmusik wiedergebe, erwarte vernünftigerweise allein wegen dieser Wiedergabe weder eine Erweiterung seines Patientenbestands noch könne er die Preise der von ihm verabfolgten Behandlungen erhöhen. Denn die Patienten würden sich zu dem einzigen Zweck in eine Zahnarztpraxis begeben, um behandelt zu werden; eine Wiedergabe von Tonträgern gehöre nicht zur Zahnbehandlung. Die Patienten würden zufällig und unabhängig von ihren Wünschen je nach dem Zeitpunkt ihres Eintreffens in der Praxis und der Dauer des Wartens sowie der Art der ihnen verabfolgten Behandlung Zugang zu bestimmten Tonträgern genießen. Unter diesen Umständen könne nicht davon ausgegangen werden, dass die normalen Patienten eines Zahnarztes für die Wiedergabe von Tonträgern aufnahmebereit wären.

Konsequenz
Nach dem erheblichen Einbruch der Absatzzahlen von Tonträgern und dem drastischen Rückgang der Vergütungen suchen die Musikindustrie und die Verwertungsgesellschaften nach neuen Einnahmequellen. Neben der konsequenten Verfolgung unzulässiger Verbreitung von Tonträgern im Internet ("Musiktauschbörsen") wird verstärkt auf eine pauschalierte Abgeltung bei Speichermedien abgestellt. Darüber hinaus ist damit zu rechnen, dass im Bereich der "öffentlichen Wiedergabe" von Musik und Filmen stärker ermittelt wird.

24. Schokohase mit rotem Band ist nicht als Marke eintragungsfähig

Kernaussage
Die Form eines Schokoladenhasen mit rotem Band ist als Gemeinschaftsmarke mangels Unterscheidungskraft nicht eintragungsfähig. Die Unterscheidungskraft ist im Hinblick auf die Waren oder Dienstleistungen, für die sie angemeldet worden ist, und im Hinblick auf den angesprochenen Verkehrskreis zu beurteilen.

Sachverhalt
Im Jahr 2004 meldete ein bekannter Schokoladenhersteller eine 3-dimensionale Marke in der Form "Hase aus Schokolade mit rotem Band" und den Farben Rot, Gold und Braun an. Das Markenamt wies die Anmeldung als Gemeinschaftsmarke mangels Unterscheidungskraft zurück. Auch eine Unterscheidungskraft durch Benutzung läge nicht vor, da diese für die gesamte Europäische Union nachwiesen werden müsste. Die hiergegen gerichtete Beschwerde blieb erfolglos, ebenso wie die gegen die ablehnende Entscheidung eingereichte Klage sowie das dagegen eingelegte Rechtmittel.

Entscheidung
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) stellt letztinstanzlich fest, dass ein Eintragungshindernis der Markeneintragung entgegensteht. Die notwendige Unterscheidungskraft einer Marke liege nur dann vor, wenn sie erheblich von der Norm oder Branchenüblichkeit abweiche. Zu beurteilen sei dies im Hinblick auf die Art der Waren oder Dienstleistung sowie im Hinblick auf die Anschauung des angesprochenen Verkehrskreises. In Bezug auf die Form eines sitzenden oder kauernden Hasen in Goldverpackung führte das Gericht aus, dass dieses eine typische Form von Schokoladenhasen zur Osterzeit sei. Selbiges gelte für die Verzierung des Hasen mit Bändern, Schleifen oder Glocken. Auch das Vorbringen des Schokoladenherstellers, dass die Eintragung der Marke in 15 Mitgliedstaaten für die Unterscheidungskraft spräche, greife nicht durch, da das Gemeinschaftsmarkenamt sich nicht den Beurteilungen der nationalen Behörden zu eigen machen müsse. Die Eintragung sei ebenfalls nicht gerechtfertigt, da die Marke nicht in der gesamten Union Unterscheidungskraft durch Benutzung erlangt habe und es an der Unterscheidungskraft von Haus aus fehle. Die entsprechenden Nachweise seien nur für die Deutschland erbracht.

Konsequenz
Auch wenn eine Marke in mehreren Mitgliedstaaten eingetragen ist, kann das für Gemeinschaftsmarken zuständige Markenamt eine Eintragung ablehnen. Für die in der EG-Verordnung normierte Ausnahmeregelung muss die Marke in allen Mitgliedstaaten infolge von Benutzung Unterscheidungskraft erlangt haben.

25. Falschangaben über Urlaubsabgeltung im Kündigungsschreiben anfechtbar?

Rechtslage
Teilt ein Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer schriftlich mit, dass dem Arbeitnehmer bestimmte Ansprüche zustehen, dann kann dieser hierauf in der Regel vertrauen. Ausnahmen können dann bestehen, wenn der Arbeitnehmer erkennen musste, dass die Mitteilung des Arbeitgebers falsch ist oder die Erklärung durch den Arbeitgeber angefochten wird. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln hatte nunmehr über die rechtliche Einordnung der Mitteilung von Resturlaubsansprüchen in einem Kündigungsschreiben zu entscheiden.

Sachverhalt
Der Arbeitgeber kündigte dem Arbeitnehmer und teilte diesem - auf Wunsch des Arbeitnehmers - im Kündigungsschreiben mit, dass eine Urlaubsabgeltung von 43 Tagen erfolge. Diese Urlaubsabgeltung klagte der Arbeitnehmer ein, nachdem der Arbeitgeber mit der Begründung, die Angabe im Kündigungsschreiben sei aufgrund einer Umstellung der Zeiterfassung unzutreffend erfolgt, lediglich 33 Urlaubstage abgelten wollte.

Entscheidung
Das LAG Köln gab dem Arbeitnehmer Recht. Die Angabe im Kündigungsschreiben stelle ein (deklaratorisches) Schuldanerkenntnis dar und begründe damit einen Anspruch auf die mitgeteilte Urlaubsabgeltung. Dieses Anerkenntnis habe mit der Begründung, das Zeiterfassungssystem habe eine fehlerhafte Berechnung erstellt, nicht angefochten werden können, weil nur ein unbeachtlicher Irrtum vorliege. Auch sei der Arbeitnehmer nicht aus allgemeinen Treueerwägungen gehindert, die volle Urlaubsabgeltung zu verlangen, selbst wenn nachträglich feststünde, dass die zunächst mitgeteilte Urlaubsabgeltung falsch sei. Insoweit habe der Arbeitnehmer auf die zuerst mitgeteilte Urlaubsabgeltung vertrauen dürfen.

Konsequenz
Die Mitteilung bestehender Ansprüche von Arbeitnehmern in Kündigungsschreiben wird als Schuldanerkenntnis gewertet werden müssen. Mit anderen Worten, teil der Arbeitgeber mit Kündigung das Bestehen konkreter Ansprüche mit, werden diese verbindlich. Insoweit bleibt es dabei, Kündigungsschreiben möglichst schlank auszugestalten und Ansprüche im Rahmen einer Auflösungsvereinbarung oder einem Vergleich zu regeln.

26. Gemeinnützigkeit eines islamischen Vereins trotz Verstoßes gegen das Grundgesetz?

Kernproblem
Eine gemeinnützige Organisation darf keine Bestrebungen gegen den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder die freiheitlich demokratische Grundordnung fördern. Dies ist gesetzlich vorgesehen. Ebenso steht es nicht im Einklang mit der Gemeinnützigkeit, wenn dem Gedanken der Völkerverständigung zuwider gehandelt wird. Sofern eine Körperschaft im Verfassungsschutzbericht des Bundes bzw. eines Landes als extremistische Organisation aufgeführt wird, ist widerlegbar davon auszugehen, dass die Voraussetzungen für einen Gemeinnützigkeitsstaus nicht erfüllt sind.

Sachverhalt
Ein islamischer Verein betreibt nach seiner Satzung und nach seiner tatsächlichen Geschäftsführung die Förderung der Religion; er verfolgt grundsätzlich gemeinnützige Zwecke. Gleichwohl hat das Finanzamt dem Verein für 2008 die Gemeinnützigkeit aberkannt. Begründet wird dies damit, dass er in einem Landesverfassungsschutzbericht wegen Einbindung in demokratiefeindliche salafistische Netzwerke erwähnt worden sei.

Entscheidung
Sowohl das Sächsische Finanzgericht als auch der Bundesfinanzhof (BFH) haben die Gemeinnützigkeit anerkannt. Dass der Verein im Rahmen seiner tatsächlichen Geschäftsführung gerade nicht gegen die Wertordnung des Grundgesetzes verstößt, ist vom Verein nur dann zu beweisen, wenn der Finanzverwaltung konkrete Anhaltspunkte für einen Verstoß vorliegen. Ein solcher Anhaltspunkt kann der angeführte Verfassungsschutzbericht sein. Eine bloße Erwähnung wie im vorliegenden Sachverhalt reicht indes nicht aus; vielmehr muss der betreffende Verein ausdrücklich als extremistisch eingestuft worden sein.

Konsequenz
Die Gewährung von Steuervergünstigungen ist an die Befolgung der Wertordnung des deutschen Grundgesetzes geknüpft. Der vorliegende Sachverhalt verdeutlicht jedoch die Schwierigkeiten der praktischen Handhabung.

27. Keine 7 % für Kost & Logis bei gemeinnützigen Körperschaften

Kernproblem
Nach einer Sondervorschrift des deutschen Umsatzsteuergesetzes sind Leistungen gemeinnütziger Körperschaften mit einem ermäßigten Umsatzsteuersatz zu besteuern. Bei Seminaren führt dies dazu, dass die eigentliche Seminarleistungen zwar von der Umsatzsteuer befreit, die Gewährung von Kost und Logis aber dem ermäßigten Umsatzsteuersatz (7 %) zu unterwerfen ist. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat hierzu nunmehr seine Rechtsprechung geändert.

Sachverhalt
Eine gemeinnützige GmbH hatte arbeits- und sozialrechtliche Seminare veranstaltet. Auf die Seminargebühr wurde keine Umsatzsteuer, für die Beherbergung und Verpflegung der ermäßigte Umsatzsteuersatz von 7 % erhoben. Das Finanzamt unterwarf diese Leistungen dem Regelsteuersatz (19 %).

Entscheidung
Unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung gab der BFH dem Finanzamt Recht: Für Beherbergung und Verpflegung muss 19 % Umsatzsteuer abgeführt werden (ab 2010 gilt für Beherbergungsleistungen generell der ermäßigte Umsatzsteuersatz). Nach Ansicht des BFH steht die deutsche Sondervorschrift nicht im Einklang mit der europäischen Mehrwertsteuersystemrichtlinie. Gleichwohl darf sich der Steuerpflichtige auf die günstigere nationale Regelung berufen. Diese erfordert zweierlei: Neben dem Status der Gemeinnützigkeit dürfen die Leistungen, die die Körperschaften erbringen, nicht in erster Linie der Einnahmeerzielung dienen. Bei Beherbergung und Verpflegung ist dies aber gegeben.

Konsequenzen
Zunächst bleibt abzuwarten, ob sich die Finanzverwaltung das Urteil zu eigen macht und im Bundessteuerblatt veröffentlicht. In diesem Fall dürfen sich gemeinnützige Seminarveranstalter auf zusätzlichen Verwaltungsaufwand freuen: Für die Verpflegung fallen 19 %, für die Beherbergung 7 % und für das eigentliche Seminar keine Umsatzsteuer an.

28. Geltendmachung von Urlaubsabgeltung im laufenden Urlaubsjahr?

Kernfrage
Bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses noch nicht genommener Urlaub ist nach den Regelungen des Bundesurlaubsgesetzes in Geld abzugelten. Nach bisherigem Verständnis war der Urlaubsabgeltungsanspruch zwar kein Urlaubsanspruch, sondern nur ein Geldanspruch; er wurde aber als Ersatz des Urlaubsanspruches verstanden. Damit fanden bisher die Fristenregelungen des Urlaubs mit der Folge Anwendung, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch mit dem Kalenderjahresende unterging. Für den Abgeltungsanspruch solcher Arbeitnehmer, die krankheitsbedingt ihren Urlaub nicht nehmen konnten und deren Arbeitsverhältnis endete, hatte die Rechtsprechung diese Auffassung bereits aufgegeben. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat dies nunmehr auch für den Abgeltungsanspruch des arbeitsfähigen Arbeitnehmers, dessen Arbeitsverhältnis endete, getan.

Sachverhalt
Das Arbeitsverhältnis des klagenden Arbeitnehmers war durch Urteil im November zum Juli des Folgejahres für beendet erklärt worden. Im Folgejahr machte der Arbeitnehmer Urlaubsabgeltungsansprüche mit Rücksicht auf seinen Resturlaub aus dem Beendigungsjahr geltend, bliebt allerdings bis zum BAG ohne Erfolg.

Entscheidung
Das BAG gab seine bisherige Rechtsauffassung, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch als sogenannter Surrogatsanspruch den Fristen des Urlaubsanspruchs unterliege, auf und stellte den Abgeltungsanspruch zugunsten des Klägers fest. Maßgeblich sei, dass der Abgeltungsanspruch eben nicht dem Urlaubsanspruch entspreche, sondern ein selbstständiger Geldanspruch bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei. Entsprechend könnten auch nicht die Fristen des Urlaubsanspruchs Anwendung finden. Darüber hinaus sei kein sachlicher Grund ersichtlich, nach dem arbeitsfähige Arbeitnehmer im Hinblick auf die Urlaubsabgeltung anders behandelt werden könnten als arbeitsunfähig erkrankte Arbeitnehmer.

Konsequenz
Die Entscheidung ist dem Verständnis, dass Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsanspruch 2 selbstständige Ansprüche bilden, zutreffend. Für Arbeitgeber bedeutet sie allerdings ein wirtschaftliches Risiko; hier wird wohl lediglich eine wirksame arbeitsvertragliche Ausschlussklausel wenigstens insoweit Sicherheit bringen, als dass der Abgeltungsanspruch bis zum Ablauf der Ausschlussfrist geltend gemacht worden sein muss.

29. Falschauskunft des Arbeitgebers kann Indiz für Diskriminierung sein

Kernfrage
Bei Auseinandersetzungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über Diskriminierungshandlungen sieht das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zugunsten des Arbeitnehmers eine Beweislastumkehr dergestalt vor, dass der Arbeitnehmer lediglich Indizien vortragen muss, um die Diskriminierungshandlung glaubhaft zu machen. Der Arbeitgeber muss dann den vollen Beweis führen, dass die Diskriminierung gerade nicht vorgelegen hat. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte jüngst darüber zu befinden, ob eine falsche Auskunft des Arbeitgebers bereits als Indiz für eine Diskriminierung ausreicht.

Sachverhalt
Eine türkischstämmige Arbeitnehmerin, die überdurchschnittliche Zeugnisse besaß, war nach 2 Befristungen nicht in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen worden. Begründet wurde dies mit Leistungsmängeln der Arbeitnehmerin. Diese nahm den Arbeitgeber auf Schadensersatz und Entschädigung wegen einer Diskriminierung aufgrund ethnischer Herkunft in Anspruch. Zur Begründung führte sie aus, die Begründung ihrer Nichtübernahme mit Leistungsmängeln sei angesichts ihrer Zeugnisse falsch. Außerdem arbeite beim Arbeitgeber kein anderer Arbeitnehmer mit Migrationshintergrund. Zudem habe der Arbeitgeber zunächst behauptet, der Arbeitsplatz falle aufgrund einer Fusion weg.

Entscheidung
Im Ergebnis hob das BAG zwar "nur" die Vorentscheidung auf und verwies zur erneuten Verhandlung zurück. Allerdings gaben die Richter dem erstinstanzlichen Landesarbeitsgericht auf, darüber Beweis zu erheben, ob das erteilte Zeugnis oder die Begründung der Nichtübernahme mit Leistungsmängeln falsch ist. Auch die Frage, ob zunächst eine Fusion zur Begründung herangezogen worden sei, müsse geklärt werden. Jedenfalls sei eine Falschauskunft grundsätzlich geeignet, eine Diskriminierung zu indizieren.

Konsequenz
Die Entscheidung überrascht nicht. Angesichts eines offensichtlich vorliegenden Diskriminierungsmerkmals in der Person des Arbeitnehmers wird eine Falschauskunft immer eine Diskriminierung nahe legen. Das heißt, die einmal abgegebene Begründung muss zutreffend sein.



Für Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen



Stephan Gißewski

Steuerberater


Ulmenweg 6-8 - 32760 Detmold
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